Ich bin endlich wieder da

… und bedenke nicht, erneut zu verstummen! Es war wirklich nicht mein Fehler, dass ich so lange schwieg bzw. schweigen musste. Nein, nein! Es waren meine Verlagsmenschen, die mir zwar zugehört hatten, aber offensichtlich keine Zeit fanden, meine Ansichten mit euch zu teilen. Stattdessen liefen sie meistens mit mürrischen Gesichtern herum, hauten nervös in die Computertasten und machten mir immer wieder klar, was ich nicht machen soll. Das tönte dann so: »JETHRO, lass die Tastatur in Ruhe!« Oder »JETHRO, runter vom Schreibtisch!« Und ganz laut: »JETHRO! JETHRO! JETHRO!!!« Dabei tat ich eigentlich nichts anderes, als das, was ich schon die ganze Zeit tue: Ich habe mich intensiv für ihre Arbeit interessiert. »Beruhigt euch«, schnurrte ich und nahm auf dem Schoß der Verlegerin Platz. Und das hat – meistens – funktioniert, und alle fanden mich wieder mindestens für einen Augenblick so »süüüüüß«.

Na ja, zur Entschuldigung meiner Verlagsmenschen muss man sagen, dass die letzten zwei, drei Jahre nicht leicht waren. Zuerst die »Pandemiehysterie« wie die Verlegerin die Situation nannte – okay, sie verwendete einen etwas anderen Ausdruck, aber da ich ein netter und höflicher Kater bin, werde ich sie nicht wortwörtlich zitieren. Und ich verrate auch nicht, dass sie nie eine Maske trug, dafür dürfen wir – mein Bruder Ivan und ich – mit dem einzigen Exemplar spielen, das sie von einer Bekannten »geschenkt« bekam. Die Verlegerin lief die ganze Zeit zu Fuß. »Ein Meter nach dem anderen und schon hat man einen Kilometer geschafft«, erklärte sie, als sie ganz außer Atem im Büro ankam, und keuchte anschließend: »Das ist gesund und hält fit.« Zu Hause stellte sie sich dann jeden Freitag auf die Wage und jubelte: »Wieder 500 Gramm abgenommen!«

Zum Glück ist diese verrückte Zeit hinter uns. Die Verlegerin legt zwar noch immer täglich eine bemerkenswerte Strecke zu Fuß zurück, aber unterwegs zerbricht sie sich den Kopf nicht mehr über irgendwelche Pandemie, sondern sehr wahrscheinlich über den anderen Wahnsinn, der gerade auf der Welt herrscht. Trotzdem unterhalten wir uns im Verlag vor allem über die Literatur, besonders über die Bücher, die wir soeben herausgebracht haben. Zwei Neuerscheinungen aus dem Herbstprogramm sind da: die Kurzgeschichtensammlung mis you und andere Heucheleien von Heidi Tschachtli und der Zürcher Kriminalroman Mörderische Buchstaben von Monica Heinz.
Die Tage, an denen die Neuerscheinungen geliefert werden, mag ich sehr. Ich darf an den Paketen schnuppern, die Verlagsmenschen öffnen sie vorsichtig, packen die Bücher aus, streichen über sie und einigen sich schließlich darauf, dass es eigentlich nichts Schöneres gibt als zu lesen.
»Hat es nicht bereits vor langer Zeit Jane Austen gesagt?«, frage ich schnurrend.
»Doch, doch! Du hast recht«, gibt die Verlegerin zu.
»Das weiß ich«, schnurre ich selbstzufrieden. Ich bin schließlich DER Verlagskater!
In diesem Sinne bis zum nächsten Mal!
Jethro